Visualisierung von Codierungen: Strukturen erkennen und interpretieren

Codierende Analysemethoden haben sich in der empirischen Sozialforschung etabliert. Die Popularität dieser Methoden zeigt sich etwa bei den mehrfach aufgelegten Methodenbücher zur qualitativen Inhaltsanalyse von Kuckartz und Rädiker (2022) oder Mayring (2022). Eine besondere Stärke von v. a. Verfahren der Inhaltsanalyse liegt in der systematischen und effizienten Auswertung umfangreicher Datensätze, bestehend aus Texten, Bildern und Videos. Beispielsweise wurden und werden in eigenen Forschungsarbeiten knapp 50 Interviews, mehr als 100 Dokumente und knapp 200 Netzwerkkarten inhaltsanalytisch ausgewertet (Galle, 2021; Galle et al., 2023; Kreis et al., 2023; Stebler et al., 2021).

Herausfordernd bei solch komplexen Datensätzen ist, dass es sich als schwierig gestaltet, aufgrund der vielen Fälle und meist auch komplexen Kategoriensystemen Kernergebnisse herauszuarbeiten und eine Storyline zu entwickeln, welche einerseits zu allen Fällen passt, andererseits die spezifischen Eigenheiten eines jeden Falls berücksichtigt.

An dieser Stelle können Visualisierungen helfen, Komplexität zu reduzieren und Strukturen in den Daten zu explorieren. Die hier besprochenen Visualisierungsverfahren von Codierungen lassen sich als eine transformative Mixed-Methods-Analyse beschreiben (Creswell & Plano Clark, 2018; Kuckartz, 2014). Qualitative Daten (Interviewtranskripte, Videodaten etc.) werden von Forschenden codiert und anschliessend werden die codierten Segmente ausgezählt sowie mittels statistischer Verfahren weiter analysiert. Zur Visualisierung sind explorative Verfahren (Multidimensionale Skalierung, Korrespondenzanalyse) geeignet, bei denen Fälle auf einer zweidimensionalen Fläche hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit von Codierungen positioniert werden (z. B. Galle et al., 2023; Ritter et al., 2024; Winkler & Freisler-Mühlemann, 2023). Ebenso lassen sich mittels Netzwerkkarten Beziehungen zwischen Kategorien darstellen (z. B. Galle et al., 2023; Wilken & Heuckmann, 2024).

Obwohl Visualisierungen bereits seit vielen Jahren fester Bestandteil prominenter Analysesoftware (z. B. MAXQDA, NVivo) sind, werden sie interessanterweise nur selten publiziert. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass einerseits methodische Grundlagen fehlen und andererseits zentrale Statistiken (z. B. Distanzmatrix) nicht ausgegeben werden, wodurch die statistische Güte der Darstellungen nicht geprüft werden kann. Solche Informationen lassen sich jedoch mithilfe des Statistikprogramms R Studio ausgeben, das auch leistungsstarke Grafikpakete (z. B. ggraph) für die Erstellung aussagekräftiger und gut lesbarer Visualisierungen bietet.

Dieses Buch trägt dazu bei, Potenziale und Grenzen von Visualisierungsmöglichkeiten von Codierungen zu eruieren und technische Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Anhand von MAXQDA und R Studio werden diese Aspekte demonstriert. 

Literatur

Creswell, J. W., & Plano Clark, V. L. (2018). Designing and conducting mixed methods research (3. Auflage). SAGE.

Galle, M. (2021). Unterrichtszentrierte Schulentwicklung. Schulen auf den Weg zu einer personalisierten Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35070-3

Galle, M., Gautschi, P., & Steger, J. (2023). Prävention von Antisemitismen durch Pädagoginnen- und ­Pädagogen-Bildung. Grundlagen und Einblicke in eine quantitative Dokumentenanalyse von Curricula und Modulplänen mit MAXQDA und R. In A. Schnider, M.-L. Braunsteiner, I. Brunner, C. Hansen, B. Schober, & C. Spiel (Hrsg.), PädagogInnenbildung – Evaluationen und Analysen (S. 586–660). Be+Be-Verlag.

Kreis, A., Galle, M., Hürlimann, M., Pirovino, L., & Shepherd, J. (2023). Praxiszentren – berufspraktische Lehrpersonenbildung im kooperativen Raum zwischen Schulfeld und Hochschule. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 41(1), 104–123.

Kuckartz, U. (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Verlag für Sozialwissenschaften.

Kuckartz, U., & Rädiker, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung (5. Auflage). Beltz Juventa.

Mayring, P. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken (13., überarbeitete Auflage). Beltz.

Ritter, R., Erpenbach, A. L., & Fussangel, K. (2024). Der Blick verschiedener an der Lehrer*innenbildung beteiligter Akteursgruppen auf die Professionalität von Lehrpersonen. Herausforderung Lehrer*innenbildung - Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und Diskussion (HLZ), 7(1), 237–258. https://doi.org/10.11576/hlz-6635

Stebler, R., Galle, M., Pauli, C., & Reusser, K. (2021). „Ohne Zusammenarbeit würde das gar nicht gehen“ – Kokonstruktive Lehrpersonen-Kooperation bei der Unterrichtsentwicklung zu personalisiertem Lernen. Zeitschrift für Bildungsforschung, 11. https://doi.org/10.1007/s35834-021-00315-5

Wilken, S., & Heuckmann, B. (2024, März). Generische und domänenspezifische Überzeugungen angehender Lehrkräfte zum Einsatz digitaler Tools im Unterricht: Identifikation und Analyse mithilfe einer Netzwerkanalyse. [Poster]. GEBF, Potsdam, Deutschland.

Winkler, A., & Freisler-Mühlemann, D. (2023). Einstieg in den Lehrberuf – Formen des Umgangs von Lehrpersonen mit professionellen Anforderungen. Lehrerbildung auf dem Prüfstand, 37(2), 5–24.